Samstag, 28. April 2018

Ein Nachruf

Heute habe ich erfahren, dass das Rheingauer Weingut Langwerth von Simmern aufgelöst wird (guckstu hier; der dort erwähnte strategische Partner wurde in dem Weingut Corvers-Kauter gefunden). Ohne Zweifel eines der traditionsreichsten Weingüter Deutschlands. Aber der 554ste Jahrgang wird der letzte gewesen sein. Ein Verlust nicht nur für den Rheingau, sondern für den deutschen Weinbau insgesamt. 

Ich verbinde viele Erinnerungen mit dem Weingut. Langwerth von Simmern war eigentlich das erste Weingut, das ich regelmäßig besucht habe und wo ich über Jahre Stammkunde war. Bei der Nachricht über das bevorstehende Ende überkommt mich daher eine gewisse Wehmut. Dass es dieses großartige Etikett, eines der schönsten und charakteristischsten im deutschen Weinbau, bald nicht mehr auf Flaschen zu sehen geben wird, stimmt mich etwas traurig.


Ich erinnere mich an die Jahrgangspräsentationen im Langwerther Hof. Ich war damals Student in Gießen und der Rheingau war naheliegenderweise "mein" Weinbaugebiet. Die Präsentation des neuen Jahrgangs war immer ein "Pflichttermin", auf den ich mich gefreut habe. Und ein paar Kartons sind immer in den Kofferraum gewandert. 

Ich erinnere mich an die Weine des Jahrgangs 1991. Ich glaube, ich war so ziemlich der Einzige, der die gemocht hat. Die restsüßen Weine hatten eine ausgeprägte und sehr charakteristische Apfelnote, die mir gefallen hat. Ich habe sogar Jahre später nochmal einen Karton Mannberg Spätlese nachgekauft. Die Excel-Tabelle mit meinen Soll-Beständen behauptet, ich hätte noch zwei Flaschen 1991er Rauenthaler Baiken Spätlese. Ich wüßte allerdings nicht, wo die sein sollen.

Ich erinnere mich an mein Examen. Das bestand aus sechs fünfstündigen Klausuren. Vorher bin ich zu Langwerth gefahren und habe mir sechs Einzelflaschen gekauft. Am Abend vor jeder Klausur habe ich ein oder zwei Gläser einer Flasche getrunken und am Abend nach der Klausur dann den Rest. Es hat offenbar geholfen, denn das mit dem Examen hat ganz ordentlich geklappt. Ich erinnere mich auch noch an einige der Weine, etwa eine 1989 Kiedricher Sandgrub Spätlese, von der ich später sechs Flaschen nachgekauft habe und die auch 20 Jahre nach der Ernte noch viel Spaß gemacht hat. 

Ich erinnere mich an das Weindorf in der Hattenheimer Burg. Um den 1. Mai herum finden immer die "Schlemmerwochen" im Rheingau statt. In der altehrwürdigen Hattenheimer Burg gab es dann immer ein Winzerdorf, in dem viele (oder alle? Ich weiß es nicht) Hattenheimer Winzer einen Stand hatten. Bei gutem Wetter war am Wochenende die Hölle los, weil ganz Frankfurt da war. Langwerth von Simmern war als einziges nicht in Hattenheim ansässiges Weingut dort vertreten. Und das deshalb, weil die im 12. Jahrhundert erbaute Burg Anfang des 15. Jahrhunderts in den Besitz der Familie gelangte und diese dort bis Anfang des 18. Jahrhunderts ansässig war. Das Weindorf gibt es übrigens seit vielen Jahren nicht mehr. Angeblich, weil eine Anwohnerin wegen des Lärms dagegen geklagt hat.

Ich erinnere mich an die Spitzenweinproben Anfang der neunziger Jahre. Zu Beginn der neunziger Jahre fand jeweils im Herbst die sogenannte Spitzenweinprobe statt. Sie wurde von Kellermeister Josef Schell moderiert und bestand jeweils aus zwei Teilen. Zunächst wurden die Weine des aktuellen Jahrgangs bis hin zu den absoluten Spitzen präsentiert. Nach Pause und Imbiß wurden dann gereifte Weine präsentiert. Am Ende, nach dem letzten Wein, bat Herr Schell dann alle Anwesenden, mit ihm gemeinsam "Großer Gott wir loben Dich" anzustimmen.

Ich erinnere mich an den teuersten Wein, den ich je getrunken habe. Den gab es 1993 als krönenden Abschluß auf der Spitzenweinprobe. Es war eine 1953er Rauenthaler Herberg TBA. Die wurde dann im gleichen Jahr auf der Versteigerung in Kloster Eberbach für (wenn ich mich richtig erinnere) 4.000 DM zugeschlagen. Wer etwas gugelt, kann den Wein übrigens bei einem Raritätenhandel für 2.750 Euro finden.

Ich erinnere mich an einen der ganz wenigen Weine aus meinem Geburtsjahrgang, den ich getrunken habe, eine 1965er Erbacher Marcobrunn Eiswein Auslese. Die gab es 1994 auf der Spitzenweinprobe. 1965 war ein ganz schreckliches Weinjahr und diese Eiswein Auslese war faszinierend, weil sie irgendwie die unreifen Noten des Jahrgangs in konzentrierter Form so darbot, dass der Wein trotzdem gut war. Aber vielleicht wollte ich ihn auch nur gut finden :-) Er ist beim gleichen Händler übrigens für 575 Euro zu haben.

Spitzenweinprobe 1993

So ganz im Trockenen wollte ich diesen Nachruf auch nicht verfassen, daher habe ich vorab im Keller etwas Passendes herausgesucht:

1988 Langwerth von Simmern Rauenthaler Baiken Riesling Spätlese
Die Flasche war äußerlich in hervorragendem Zustand, auch der Füllstand war optimal. Der Korken war allerdings völlig durchnäßt und saß so locker in der Flasche, dass er sich nicht aus ihr hinaus-, sondern nur in sie hineinbefördern ließ. 
Sehr reifes Goldgelb mit Orangenoten
In der Nase Firne, aber auch noch Reste von Frucht; Aprikose, Quitte
Am Gaumen ist der Wein noch ziemlich lebendig, die Firne ist weniger ausgeprägt als in der Nase, die Süße ist nur noch sehr verhalten wahrnehmbar, dezente Aprikosenfrucht
86-88, trinken


1 Kommentar:

  1. Ein kleiner Trost: https://www.langwerth-von-simmern.de/start (Stand 17.12.20). Ob das die früheren Langwerther Weine sind, muss jeder selbst beurteilen...

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